Turnier-Siegerin Christine Fink im Interview

Die 34-jährige Para Boccia-Spielerin berichtet in einem Interview den VertreterInnen von Para Boccia Germany zu ihren großartigen Erfolg

Herzlichen Glückwunsch zu Ihrem fantastischen Sieg beim World Boccia Challenger Turnier in Heraklion/Griechenland 2023!!!

 

Wie fühlen Sie sich?

Wir freuen uns riesig! Wir sind ohne große Erwartungen in das Turnier gestartet. Ziel war es, die Vorrunde zu schaffen und im Idealfall im Viertelfinale weiterzukommen. Das ist die Hürde bei internationalen Wettkämpfen, die wir bisher nur selten passieren konnten. Und jetzt mit der Goldmedaille nach Hause zu fliegen - das ist schon der Wahnsinn!

 

Bitte nehmen Sie uns mit - wie ist das Event für Sie insgesamt verlaufen?

Naja, wir hatten eine sehr ungünstige Gruppenlosung und mussten gleich im ersten Spiel gegen unsere Teamkollegin Nancy Poser antreten. Das hätten wir uns sicher anders gewünscht und waren auch ein bisschen geknickt. Dann haben wir es sportlich genommen und konnten mit einem Sieg ins Turnier starten. Das erste Spiel ist generell immer ein Wichtiges, da platzt meist der Knoten und die Aufregung lässt anschließend etwas nach. 

Im weiteren Verlauf der Vorrunde habe ich das Spiel gegen Maria Bjurstrom aus Schweden verloren, bin aber dennoch mit einem Sieg gegen Spanien ins Viertelfinale eingezogen. Dort traf ich auf die Britin Robyn Mcbride. Glücklicherweise konnte ich mich hier noch über einen Tiebreak (5:4) ins Halbfinale retten.

Im Halbfinale konnte ich mich dann eindeutig gegen die starke und erfahrene Lokalmatadorin Anna Ntenta durchsetzen. Das kam sowohl für mich, als auch für einige der Zuschauer sehr überraschend.

 

Mit welcher Erwartung sind Sie ins Finale gestartet? 

Wir haben uns total gefreut, im Finale dabei zu sein und konnten das Spiel unabhängig vom Ergebnis richtig genießen. Im Finale traf ich erneut auf die Schwedin, weshalb ich wusste, dass ein Sieg theoretisch möglich wäre. In der Vorrunde unterlag ich Maria nur knapp und wir haben sehr ähnlich gespielt.

Das Spiel selbst war für alle Beteiligten total aufregend. Nachdem ich im ersten Satz in Führung gegangen war, bekam ich in der zweiten Runde einen Penalty, weil ich versehentlich mit meinen Rädern aus der Box gefahren war. Die Regelungen sind hier sehr strikt. Mein Ball zählte entsprechend nicht und Maria verwandelte souverän ihren Strafball. So stand es 1:3 nach dem zweiten Satz. Im dritten Satz ist es mir gelungen, ruhig zu bleiben und wieder Boden gut zu machen. Am Ende war es eine Millimeterentscheidung und wir und das Publikum haben den Atem angehalten, während die Referees sehr gewissenhaft von allen Seiten Maß nahmen. Die Freude war riesig, als es dann hieß, 4:3 für Rot!!!

 

Wo sehen Sie generell Ihre Stärken als Boccia Spielerin, die Ihnen hier zum Sieg verholfen hatten?

Ich spiele sehr fokussiert und lasse mich nicht so leicht ablenken. Zum anderen starte ich gut vorbereitet in den Wettbewerb. Wir haben Checklisten erarbeitet und das gibt mir Sicherheit. 

 

Tina, wie war es für Sie als Rampenassistentin?

Einfach genial. Wir haben auf nationaler Ebene schon eine Bronze- und eine Goldmedaille bekommen, aber auf internationaler Ebene ist das nochmal ein ganz anderer Erfolg. Wir freuen uns einfach riesig, dass wir hier gewonnen haben. 

 

Was ist Ihr Geheimnis als Team?

Tina: Wir kennen uns schon sehr lange, ich arbeite seit 8 Jahren bei Christine und vor 3 Jahren haben wir mit Boccia begonnen. Wir harmonieren einfach total gut. Wir haben auch eine Abmachung - "Was im Spiel passiert, bleibt im Spiel". 

Außerdem weiß ich, dass wir gut in der Zeit sind und ich die Anweisungen von Christine auf dem Court schnell umsetzen kann. Ich versuche auch in stressigen Situationen ruhig zu agieren, denn wenn ich hektisch werde, passieren Fehler und das bringt uns beiden nichts.

Christine: 

Absolut. Tina weiß immer genau, was ich meine, ohne dass ich noch viel darüber nachdenken muss, wie ich es sage. Das ist eine riesige Zeitersparnis und gibt mir Sicherheit. Weil wir gemeinsam mit Boccia begonnen haben und als Team hineingewachsen sind, kennt sie die Regeln genauso gut wie ich und ich kann einen Teil der Aufgaben an sie abgeben. 

 

Ist es eine Besonderheit, Tina, dass Sie beide Rollen übernehmen: die als Rampenassistentin und die als Pflegerin?

Das ist vor allen Dingen der Tatsache geschuldet, dass der DBS die Teilnahme an unseren Wettkämpfen nur sehr begrenzt finanziell unterstützt. Die Athleten mussten die Kosten für den Wettkampf in Heraklion inkl. der Reisekosten beispielsweise aus eigener Tasche bezahlen.

Ich weiß, dass es nicht die Regel ist und es nicht viele Assistenten gibt, die das leisten können. Aber ich traue mir das zu, einfach weil ich schon so lange bei Christine arbeite und wir uns so gut kennen. Wir funktionieren auch außerhalb des Spielfeldes gut und denken ähnlich. Zudem gehen wir rücksichtsvoll miteinander um und achten auf die Bedürfnisse des anderen. Das Zwischenmenschliche stimmt und es ist uns wichtig, dass wir beide eine gute Zeit haben.

 

Was fasziniert Sie generell am Boccia?

Christine: Mir gefällt es total, dass Boccia die Möglichkeit bietet, an internationalen Wettkämpfen teilzunehmen und sich mit Athletinnen aus anderen Ländern zu messen. Es ist wie eine große Familie und es ist schön, ein Teil davon zu sein.

Es bedeutet mir auch super viel, dass Freunde und Familie so leidenschaftlich von zu Hause aus mitfiebern und sich so mit uns über den sportlichen Weg und unsere Erfolge in den letzten zwei Jahren freuen! 

 

Sie sind Teil der Para Boccia Nationalmannschaft. Kann man in Deutschland vom Boccia leben?

Nein, so professionell wie in einigen anderen Ländern z. B. UK ist es bei uns nicht. Ich arbeite Vollzeit an der Hessischen Lehrkräfteakademie und organisiere dort Fortbildungen für Lehrkräfte. Einmal in der Woche treffe ich mich nach der Arbeit mit Tina zum Boccia Training.

 

Vielen Dank für die spannenden Einblicke und für dieses unglaubliche Finalspiel! 

Wir wünschen für die Zukunft alles Gute!